Nein zur Selbstbestimmungsinitiative

Beitrag von Julia Müller

Die Plakate für die Selbstbestimmungsinitiative sehen harmlos aus. Freundlich blickende Frauen und Männer wollen von einem Ja zu Demokratie und mehr Selbstbestimmung überzeugen. Ganz ungewohnt für eine SVP-Initiative. Weder ist das SVP Logo in der Werbung zu finden, noch werden irgendwelche armen Schäfchen aus dem Land gejagt. Man könnte fast meinen die CVP äussert sich zu einem familienpolitischen Thema. Doch was lieb und herzig aussieht, hat es in sich. Selbstbestimmung und Demokratie haben nichts mit dieser Initiative zu tun. Die Linke hat sich zu Recht für einem anderen Initiativnamen entschieden. Die Anti Menschenrechtsinitiative. Und genau das ist sie auch. Ein Angriff auf unsere Menschenrechte. Hinter den Kulissen der SVP Propaganda sieht man die tiefen Abgründe ihres Anliegens. Man könnte meinen, dass diese Partei die Löschtaste gedrückt hat und die unschöne Zeit vor und während dem zweiten Weltkrieg ausblendet. Die Menschenrechte sind ein Resultat des Willens, dass man nie wieder Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulassen will. Die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert nicht nur in der Schweiz das Einhalten dieser Rechte, sondern untermauert durch das Unterzeichnen von 47 Staaten auch die Verbindlichkeit ebendieser. Neben den notwendigen Garantien für die Bevölkerung steht die Schweiz auch in der Verantwortung ein Europa zu sichern, das den Schutz der Menschenrechte und die Grundfreiheiten gewährleistet.

In der Schweiz sieht es folgendermassen aus: Unsere Rechtsordnung folgt nach dem Prinzip des Monismus. Das bedeutet, dass Völkerrechtliche Verträge automatisch gelten, ohne, dass sie ins Landesrecht transformiert werden müssen. Dies sagt uns der Artikel 5 Absatz 4 der Bundesverfassung. „Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.“
Völkerrecht ist nicht zu verwechseln mit Landesrecht. Das Völkerrecht entsteht nach dem Prinzip des Vertragsschlusses und nicht nach dem Prinzip der Gesetzgebung. Wenn ein Vertrag ratifiziert wurde und somit in Kraft tritt, dann gilt „Pacta sunt servanda“ was soviel heisst wie „Verträge sind einzuhalten“. Daher kann ein Staat nicht einseitig den Vertrag abändern oder dessen Inhalt nicht anwenden. Wenn die Schweiz nun die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellt, dann muss gemäss Initiative in einem Konfliktfall zwischen einem Völkerrechtlichen Vertrag und der Bundesverfassung, der Vertrag abgeändert oder nötigenfalls gekündigt werden. Entgegen den Behauptungen der SVP wäre die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ein solcher Fall. Die Bundesverfassung schreibt seit der Annahme der Ausschaffungsinitiative fest, dass kriminelle AusländerInnen, die ein bestimmtes Delikt begangen haben, ohne richterliche Einzelfallprüfung direkt ausgeschafft werden. Diese Bestimmung verstösst gegen die EMRK, welche die Verhältnismässigkeit und das Recht auf Familienleben garantiert. Da nun die Bundesverfassung vorgeht, verstösst die Schweiz in ihrer Rechtsprechung gegen die EMRK, was einem Vertragsbruch gleichkommt. Wir erinnern uns an den Grundsatz „pacta sunt servanda“. Auch wenn die Schweiz die Kündigung der Menschenrechtskonvention aufgrund dieses Konflikts umschiffen kann, bleibt die Gefahr weiterhin bestehen, da diverse andere neue Bestimmungen in der Bundesverfassung, wie beispielsweise das Anliegen der Verwahrungsinitiative oder das Minarettverbot, dieselbe Problematik beinhalten.

Im Schweizer Rechtssystem gibt es leider eine Sicherheitslücke, die glücklicherweise von der EMRK geschlossen wird. Durch das direktdemokratische Instrument der Volksinitiative kann jeder Teil unserer Bundesverfassung abgeändert werden, so auch die Grundrechte. Per Mehrheitsentscheid könnten jederzeit die Grundrechte einer Minderheit beschnitten werden. Doch heute ist garantiert, dass das Bundesgericht bei einer grundrechtswidrigen Bestimmung auf die EMRK zurückgreifen kann. Bei einer Annahme der Initiative würde diese Grundrechtsgarantie verloren gehen und die Schweizer Bevölkerung ist der Diktatur der Mehrheit ausgesetzt. Als Linke ist es unsere Aufgabe die Minderheiten zu schützen und aufgrund der oben genannten Argumenten die Anti Menschenrechtsinitiative zu bekämpfen. Niemals dürfen wir unsere Zukunft auf diese Art der Willkür überlassen. Heute haben wir das schützende Dach der Menschenrechte über uns und verspüren die entsprechende Sicherheit, doch wir sollten uns nie an den Tag erinnern müssen, an dem das Schweizer Volk freiwillig seine wertvollste Garantie aufgab. Abschottung und Repression ist keine Lösung, niemals. Darum kämpfen wir gemeinsam gegen den Angriff auf die Menschenrechte und lassen den grausamen Träumen der SVP keinen Platz zum Atmen.

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